Dienstag, 14. Dezember 2010

Syrien?!

Als ich vor ein paar Tagen aufgewacht bin, war das das erste, was mir einfiel - "Syrien?!". Ganz unpassend war dieser Gedanke nicht, denn Syrien war, worauf mein Bett stand, dessen Decke ich anstarrte, was ich ein- und ausatmete.
Die erste Nacht in einem neuen Land ist immer etwas verwirrend. Der Körper ist zwar schon seit vielen Stunden vor Ort, aber der Geist hängt irgendwie noch auf dem Wege dahin fest, ganz so als wäre man in einem Kino und würde nach dem fesselnden Film wieder seinem täglichen Leben nachgehen.


Vor allem, weil ich selbst mich recht spontan für die Reise entschieden hatte und nur als Begleitung meiner Schwester aufgebrochen war, hielt dieser Film-Effekt bei mir recht lange vor. Als Begleitung steht man halt nicht so sehr im Mittelpunkt und bestimmt auch nicht die Etappen und das Tagesprogramm, sondern fühlt sich oft in der Rolle des Beobachters. Mittlerweile bin ich natürlich mit Kopf und Körper mittendrin in Syrien, auch Dank der sehr herzlichen Gastgeber hier.

"Hier" ist genauer gesagt das christliche Viertel bei Bab Touma in Damaskus, der ältesten Stadt der Welt und Junge - das sieht man ihr stellenweise echt an! Die Altstadt ist beeindruckend mit ihren schmalen Gassen (durch die sich nichtsdestotrotz viele Autos zwängen) und alten Häusern, deren obere Stockwerke sich auf beiden Straßenseiten wie alte Freunde zueinander neigen (teilweise so stark, dass man sie mit schweren Eisenträgern als Streben davon abhält, zu kollabieren).


Damaskus ist eine der Städte, wo sich das Leben schönerweise zum großen Teil auf der Straße abspielt. Die großen Märkte, die Suqs, sind voll von Menschen, Lichtern und Gerüchen und die Leute treffen sich in Cafés und Flanierstraßen. Bis vorgestern war davon allerdings nichts zu spüren, da sich etwas zugetragen hatte, mit dem kein Damaszener gerechnet hatte: Es hat geschneit.

Die Durchschnittstemperatur in Damaskus liegt für Dezember bei knapp neun Grad Celsius und die Niederschlagswahrscheinlichkeit ohnehin gering (es gibt offizielle Regengebete, die aber meist nach dem Wetterbericht geplant werden, um nicht dumm dazustehen), daher war ich nicht schlecht überrascht, als am dritten Tag nach meiner Ankunft in Damaskus morgens dicke Flocken dicht vom Himmel rieselten. Das letzte Mal hat dieser Ort vor sechs Jahren Schnee erlebt und überall tobten Kinder in dem (für viele von ihnen unbekannten) Weiß.
Dummerweise hatte ich auch meine Reisegarderobe nicht danach ausgerichtet und musste die nächsten Tage mit durchweichten Halbschuhen leben. Viel mehr hatte es allerdings die Unterkunft mitgenommen, in welcher meine Schwester und ich nächtigten und dessen Dach die Schneelast nun tröpfchenweise passieren ließ. Zum Glück konnten wir kurzerhand direkt bei den Gastgebern einziehen und die nassen Tage dort ausharren.


Mit dem Schnee (und vorher schon dem Regen) sind kaum noch Leute vor die Türe gegangen. Der Verkehr, ohnehin (aus meiner Perspektive) schon chaotisch genug, war zu einer mörderischen Schlitterpartie verkommen und wurde verständlicherweise von den meisten Damaszenern gemieden. Wir sind natürlich trotzdem raus und zu Fuß durch die Stadt getourt, was vielleicht auch gar kein so schlechter Einstieg war, wenn auch etwas kalt. Zudem muss es sich ja auch mal lohnen, durch die eigene Heimat so schlechtwettergewohnt zu sein.

Trotzdem war ich dankbar, als die Temperatur wieder gestiegen und der Niederschlag vergangen ist - Damaskus lebt bei Sonnenschein.

Keine Kommentare: