Samstag, 26. Januar 2008

Blau

Seit nun drei Wochen gehe ich Samstags in einen Club, bin danach stets total blau und wache am nächsten Morgen mit einem entsetzlichen Kater auf. Zudem schreien sich die Leute dort an und an jedem dieser Abende bin ich schließlich in einen Kampf verwickelt worden - manchmal sogar mit Grundschülern.

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Okay, der obige Absatz ist zwar wortwörtlich wahr, aber Misstrauen ist trotzdem angebracht, denn die schlimmsten Lügen sind ja bekanntlich Halbwahrheiten. Bei dem Club handelt es sich nicht etwa um einen schlimmen Yakuza-Schuppen für die ganze Familie, sondern um einen Kendô-Club. Blau bin ich, da das Indigo der Kendô-Kleidung auch nach sorgfältigem Auswaschen noch abfärbt und einen nach dem Training aussehen lässt, wie einen Schlumpf (In Japan wurde Indigo früher eine blutstillende Wirkung nachgesagt. Wenn das wahr ist, könnte ich mich nach dem Training wahrscheinlich mit einem Bratenspieß perforieren, ohne auch nur einen Tropfen zu verlieren). Als netten Nebeneffekt kann man zumindest später unter der Dusche lustig raten, welche blauen Flecken abwaschbar sind und welche nicht. Der Kater - um zur schlussendlichen Ganz-Wahrheit zu kommen - ist ein Muskelkater, der mich jedes Mal anfällt; leicht angenehmer zwar, als sein alkoholbedingter Cousin, aber trotzdem unleugbar böswillig.

Anstatt mein Geld Samstag abends woanders auf den Kopf zu hauen, lasse ich mir selbigen daher mit Bambusknüppeln traktieren, was zugegebenermaßen einer der Nachteile dieses Sports ist. Ein Vorzug ist, dass man selbst auch anderen auf den Kopf hauen darf. Zwar ist das anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, da man ja von kleinauf dazu erzogen wurde, so etwas gerade nicht zu tun - man gewöhnt sich allerdings schnell wieder daran, was vielleicht ein Indiz dafür ist, dass der Knüppel als erstes Werkzeug der Menschheit noch immer einen Ehrenplatz in den Tiefen unseres Verhaltens hält. Mit ein paar wohlmeinenden Schlägen auf die Trefferzonen der Kendô-Rüstung ist's jedoch im Training nicht getan und wenn man dazu noch Streichholzarme hat wie ich, werden diese nach einiger Zeit entsetzlich lahm, was einem in aller Regel auch das selber Schlagen irgendwann gründlich verleidet. Der eine Grund, warum man dann überhaupt zum Kendô geht, mag sein, dass es ein wunderbar entspannender Kontrast zur heutigen Gesellschaft mit ihren hochkomplexen Umgangsformen ist, in denen wildes Geschrei und Bambusknüppel ihren Platz seit einigen tausend Jahren verloren haben. Natürlich will man auch beim Kendô die Dinge nicht ganz aus der Hand geben und verlässt sich dafür auf ein streng geregeltes Zeremoniell, das dem Schreien und gegenseitigen sich-auf-den-Kopf-Hauen ein wenig zivilisatorischen Anstrich verleiht.

Nein mal ehrlich, es gibt auf der Welt kaum einen Ort, wo so viel Höflichkeit an den Tag gelegt wird, wie in einem Japanischen Dôjô - man tauscht fast mehr Höflichkeiten aus, als Schläge. Zudem möchte ich auch nicht suggerieren, daß man beim Kendô blind aufeinander eindrischt - man ficht. Im Gegensatz zur Europäischen Variante des Fechtens wird halt weniger gepiekst und mehr geschlagen.

Als Ausgleich zum brachialen Charakter dieses Eintrags nun noch ein Bild vom ersten Schnee, der mir neulich einen weißen, ruhigen Morgen beschert hat.